Neue Studie zur Wirkung der SCD auf eine aktive chronisch-entzündliche Darmerkrankung

Neue Studie zur Wirkung der SCD auf eine aktive chronisch-entzündliche Darmerkrankung

Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss und so erreichte mich an Silvester 2016 noch einmal eine gute Nachricht. Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus den USA belegt das, was viele Betroffene über die Spezielle Kohlenhydrat-Diät berichten: SCD wirkt sich positiv auf die Krankheitssymptome von Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU) aus. Immer wieder hört und liest man Geschichten von ganz schlimmen Krankheitsverläufen und Patienten, die die ganze Medikamentenpalette durch haben und sich auch diversen OPs unterziehen mussten. Am Ende hat ihnen innerhalb kürzester Zeit nur ein „Heilmittel“ richtig geholfen hat: Die Spezielle Kohlenhydrat-Diät.

David L. Suskind, ein Gastroenterologe des Seattle Children’s Hospital, leitete diese Studie. In Gibt es Studien und Belege für die Wirksamkeit dieser Diät? habe ich dieses Krankenhaus bereits erwähnt. Die Ärzte dort wenden die SCD als Therapiemöglichkeit bei Kindern und Jugendlichen mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) an und stehen den Eltern bei Fragen und Unsicherheit mit Rat und Tat zur Seite. Es wäre schön, wenn wir im deutschsprachigen Raum auch so ein Angebot hätten.

Aufgrund der Erfolge, die Dr. Suskind in seiner Klinik und an seinen Patienten beobachten konnte, stellte er sich bereits seit einigen Jahren die Frage, ob man tatsächlich alleine durch die Ernährung MC und CU in Remission (vorübergehende oder dauernde Abschwächung der Krankheitssymptome) bringen kann. Er hat nun nach Ablauf der Studie eine Antwort auf diese Frage gefunden und sie lautet: Ja!

Die Studie kann hier als PDF heruntergeladen oder ausgedruckt werden. Da sie auf Englisch ist, möchte ich hiermit die wichtigsten Punkte zusammenfassen.

Wie entstehen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa?

Forscher gehen inzwischen davon aus, dass eine CED das Ergebnis einer anormalen Immunantwort auf das fäkale Mikrobiom gepaart mit Umwelteinflüssen und einer genetischen Veranlagung ist.[1] In den letzten Jahren wurde bei MC und CU der Zusammenhang zwischen einer Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora) und der Entstehung der Krankheiten besser bestimmt. Des Weiteren wurde auch Antibiotika mit der Entstehung einer CED in Verbindung gebracht – es zeigte sich, dass bei Kindern ein relativ höheres Risiko von 84% bestehe, nach der Anwendung von Antibiotika eine CED zu entwickeln.[2][3] Bei MC-Patienten konnte auch eine Serumaktivität in Bezug auf mikrobielle Antigene einschließlich Antikörper gegen Saccharomyces cerevisiae (Hefen) und dem Außenmembranprotein C von E.coli beobachtet werden.

Wie wird eine CED aktuell therapiert?

Trotz der vermuteten Rolle des Mikrobioms bei der Krankheitsentstehung von CED fokussiert sich die Therapie dieses Krankheitsbildes im Moment hauptsächlich darauf, das Immunsystem mit Kortison, Immunsuppressiva und Biologika zu unterdrücken, anstatt das Mikrobiom zu regulieren. Und das obwohl heute schon bekannt ist, dass Ernährung sich auf das Mikrobiom auswirkt: Eine ausschließlich künstliche Ernährung als Induktionstherapie ist international anerkannt, zeigt eine ähnlich Wirkung wie Kortison (nur ohne die Nebenwirkungen) und erzielt sogar eine höhere Heilungsrate der Mukosa.[4]

Viele Patienten fangen auf der Suche nach alternativen Therapiemöglichkeiten auf eigene Faust und ohne Anleitung von Ärzten mit einer Ernährungsumstellung an – häufig mit der SCD. Sie berichten dann von Erfolgen, doch diese konnten bisher noch nicht wissenschaftlich belegt werden. Deswegen wurde diese offene Studie durchgeführt, um die Wirkung der SCD auf die klinische Krankheitsaktivität, Entzündungsmarker und die fäkale Mikrobiomzusammensetzung der Patienten mit aktivem MC und aktiver CU zu untersuchen.

Zur Studie – das Ergebnis kurz zusammengefasst

Für die Studie wurden zwölf Patienten im Alter von 10 bis 17 Jahren (sechs Mädchen und sechs Jungen) mit MC (9) und CU (3) ausgewählt. Die Krankheitsverläufe waren mild bis mäßig aktiv. Diese wurden gemäß den Krankheitsaktivitätsindizes PCDAI 10-45 für Morbus Crohn und PUCAI 10-65 für Colitis ulcerosa bestimmt (hier gelangst du zu einer PDF der Uni Leipzig, in der beide Aktivitätsindizes übersetzt sind). Sie hielten sich für zwölf Wochen an die Spezielle Kohlenhydrat-Diät.

Nach Ablauf dieser Zeit zeigte sich bei den Patienten eine signifikante Reduzierung des Krankheitsaktivitätsindex für MC und CU, ein Abfall des C-reaktiven Proteins und erhebliche Veränderungen der Mikrobiomzusammensetzung. Alle Patienten hatten vor der Diät eine ausgeprägte Dysbiose. Bei zwei Patienten war die Diät leider unwirksam und zwei Patienten hatten die Studie abgebrochen.

Somit kann zusammengefasst werden, dass die SCD-Therapie bei einer CED mit klinischen und labordiagnostischen Verbesserungen einhergeht und sich gleichzeitig das fäkale Mikrobiom ändert.

ABLAUF DER STUDIE

Die Studie ist eine Open-Label-Studie, d.h. sowohl die Patienten als auch die Ärzte und Forscher wussten, welche Behandlung angewendet wurde. Mit dieser Studie sollte die Tolerierbarkeit, Sicherheit und potentielle Wirkung der SCD bei Kindern und Jugendlichen mit einer CED erforscht werden. Patienten, die Immunsuppressiva einnahmen, konnten diese nach einem Monat absetzen; Patienten mit Biologika nach zwei Monaten. Fünf Patienten nahmen zu Beginn der Studie überhaupt keine Medikamente.

Anleitung der Patienten

Die Kinder und Jugendlichen hielten sich für zwölf Wochen an die SCD. Sie bekamen Ernährungsberater zur Seite gestellt, die bei der Umsetzung und Einhaltung der Diät unterstützend mitwirkten. So wurden die Patienten mit Ideen und Tipps für die Essensplanung, Rezeptbücher, Mahlzeiten und Snackempfehlungen versorgt. Vor jedem Besuch mussten sie ein Ernährungstagebuch ausfüllen und auflisten, was sie in den letzten drei Tagen gegessen hatten. Neue Lebensmittel wurden phasenweise eingeführt.

Beurteilung der Patienten

Vor Beginn der Studie wurden die Patienten körperlich untersucht, Labortests zur Ermittlung des C-reaktiven Proteins (CRP), Vitamin D, Albumin und der Erythrozytensedimentationsrate wurden gemacht und Stuhlproben entnommen. Die Stuhlproben wurden auf Clostridium difficile, bakterielle Krankheitserreger und Parasiten untersucht.

Nach 2, 4, 8 und 12 Wochen wurden die Patienten erneut vorstellig, füllten Fragebögen aus (unter anderem wieder den PCDAI und PUCAI) und gaben Stuhlproben zur Analyse des Stuhl-CRP und des Mikrobioms ab. Bei jedem Besuch wurden die Patienten auch körperlich und labordiagnostisch untersucht.

Das Mikrobiom

Aus dem Stuhl wurde die genomische DNA der Patienten extrahiert. Das fäkale Mikrobiom wurde durch spezielle Verfahren genau untersucht und analysiert und es erfolgte eine metagenomische Sequenzierung.

ERGEBNISSE

Es kam während der Studie zu keinen unerwünschten oder schädlichen Situationen oder Erlebnissen für die Patienten. Zwei Patienten waren in der Zwischenzeit abgesprungen, da sie die Diät nicht einhalten konnten.

Klinische Ergebnisse

Zwei Wochen nach Beginn der SCD befanden sich 5 von 12 Patienten bereits in klinischer Remission (basierend auf dem PCDAI/PUCAI-Aktivitätsindex). Ab Woche 8 waren es 8 von den übrigen 11 Patienten. Nach zwölf Wochen waren 8 von 10 Patienten in Remission.

Der BMI in den drei Monaten variierte von Patient zu Patient. 7 von 10 Patienten, die die Studie abschlossen, konnten an Gewicht zulegen; 3 nahmen ab.

Laborergebnisse

Bis auf einen Patienten verbesserte bzw. normalisierte sich der CRP-Wert innerhalb von zwei Wochen. Nach zwölf Wochen hatten lediglich zwei Personen noch erhöhte CRP-Werte. Die Tabelle 3 auf Seite 4 unten zeigt, wie sich der erhöhte Krankheitsaktivitätsindex (100% zu Beginn, 20% nach 12 Wochen), das CRP (70% zu Beginn, 20% nach 12 Wochen), der Wert für die Sedimentationsrate (50% zu Beginn, 20% nach 12 Wochen) und der Albuminwert (40% zu Beginn, 10% nach 12 Wochen) entwickelten.

Änderungen im Mikrobiom

Es zeigte sich, dass die Ernährungsumstellung das Mikrobiom der Patienten veränderte. Manche Bakterien nahmen ab, andere zu.

Das Diagramm 2 (Seite 6) listet einige der Bakterien auf, die bei der Mikrobiomanalyse identifiziert wurden. Nach nur zwei Wochen konnte bei einigen Patienten eine Regulierung der Dysbiose erreicht werden. Baseline ist der Wert zu Beginn der Studie. Die gestrichelte lila Linie zeigt den Wert der Verteilung dieser Bakterien bei gesunden Menschen. Dieser Wert wurde im Human Microbiom Project ermittelt. Bei einigen Patienten sieht man, wie bei manchen Bakterien nach nur zwei Wochen der Wert sinkt bzw. steigt und sich dem gesunder Menschen annähert, z.B. Acidaminococcus, Clostridium, Haemophilus, Megamonas. Der hohe Escherichia-Wert für Patient 3 zu Beginn der Studie wich unter dem Wert gesunder Menschen. Selbst dort, wo die Werte noch von denen gesunder Menschen entfernt waren, konnte zumindest eine Reduzierung nachgewiesen werden, wie bei Clostridium und Streptokokkus. Genaue Zahlen lassen sich dieser ergänzenden Excel-Tabelle entnehmen.

Abbildung 3 auf Seite 7 zeigt, dass sich das Mikrobiom der MC-Patienten dem gesunder Menschen annähert. SCD Baseline ist wieder der Ausgangswert zu Studienbeginn, SCD Week 2 heißt zwei Wochen später, CD bedeutet Morbus Crohn und Controls bzw. die Vierecke sind die Kontrollpersonen. Das große rote „+“ stellt den Mittelwert der Kontrollpersonen dar.

DISKUSSION

Bisher gibt es nur einige wenige Fallstudien zur Ernährung und Therapie von CED und SCD, jedoch immer mit positiven Wirkungen und Erfolgen auf das Krankheitsbild der einzelnen Personen. Die aktuelle Studie zeigt, dass die SCD in einer kleinen Gruppe von Kinder- und Jugendpatienten keine Gefahr darstellt und gut toleriert wird. Eine Kontrollgruppe gab es jedoch nicht.

Trotz fehlender Kontrollgruppe konnte eine klinische und objektiv messbare, labordiagnostische Verbesserung bei der Mehrzahl der Patienten beobachtet werden. Die Patienten erreichten die Remission und eine Normalisierung der Entzündungsmarker. Und obwohl auch hier eine Kontrollgruppe fehlt, deuten die Änderungen des fäkalen Mikrobioms daraufhin, dass eine Diät bei CED-Patienten mit einer Änderung des Mikrobioms einhergeht und eine Wirkung auf das klinische Ergebnis hat.

Die Patienten zeigten keine einheitliche Dysbiose, sie hatten alle eine „einzigartige“ Form der Dysbiose, bei der jedoch eine hohe Zahl an entzündungsfördernden Organismen nachgewiesen werden konnte. Durch die Diät konnten erhebliche Änderungen der Mikrobiomzusammenstellung festgestellt werden.

Die Auslöser für CED sind noch immer unklar

Unterschiedliche Änderungen im Mikrobiom durch verschiedene Ernährungstherapien (künstliche Ernährung, SCD) deuten darauf hin, dass eine Veränderung der Mikrobiomgemeinschaft entweder der wichtigste Faktor für eine klinische Verbesserung ist oder dass die entzündlichen Veränderungen, die bei einer CED stattfinden, von vielen Faktoren abhängen und eine Veränderungen des Mikrobioms nicht der einzige Auslöser für eine Immunantwort und somit eine Entzündung des Darms ist. Deswegen sind weitere Studien zur Aufklärung der funktionellen Rolle des Mikrobioms bei der Krankheitsaktivität erforderlich.

Bereits in Tierversuchen an Mäusen konnte nachgewiesen werden, dass Ernährung das Darmmikrobiom ändern kann, unabhängig davon, welchen Genotyp die Mäuse hatten.[5] Bei Menschen konnten Enterotypen in Verbindung mit einer bestimmten langfristigen Ernährung gebracht werden (Bacteroides lieben Proteine und tierische Fette, Prevotella überwiegend Kohlenhydrate). Eine Veränderung der Ernährung zeigte, dass sich innerhalb eines Tages das fäkale Mikrobiom bei Menschen ändern kann.[6]

Andere Versuche an genetisch modifizierten Mäusen mit einer Veranlagung zur Entwicklung einer CED belegten ebenfalls, dass die Ernährung eine Rolle spielt. So wurden manche mit überwiegend westlicher Ernährung (viele Einfachzucker und reich an Fetten) gefüttert und andere mit normalem Futter. Mäuse mit der westlichen Ernährung entwickelten eine Dysbiose.[7] Wieder andere Tests an Mäusen konnten nachweisen, dass Emulgatoren wie Polysorbat-80, Maltodextrin und Carboxymethylcellulose bei den prädisponierten Mäusen eine starke Colitis auslösten.[8][9]

Pro und contra zur Studie

Die Forscher gehen davon aus, dass sich in den kommenden Jahren Ernährung als Therapieform bei CED integrieren wird, da immer mehr klinische Studien eine positive Wirkung der SCD auf die Symptome und Laborwerte zeigen und in Tierversuchen eine Verbindung von Ernährung und der Entstehung einer CED bei genetisch prädisponierten Individuen aufgezeigt werden konnte. Außerdem suchen und fordern immer mehr Patienten Alternativen zu den Medikamenten, die teilweise schwere Nebenwirkungen haben und nicht immer gut vertragen werden.

Und trotz der positiven Ergebnisse dieser Studie sollten einige Punkte auch kritisch betrachtet werden.

  • So schreiben die Forscher, dass die Patienten dieser Studie stark an die SCD glaubten. Sie hatten keine Patienten, die dieser Studie voreingenommen gegenüberstanden.
  • Der Grad der Entzündung der Darmschleimhaut wurde nicht durch eine Koloskopie bestimmt sondern nur anhand des CRPs im Blut und im Stuhl und der Verbesserung der klinischen Entzündungsaktivitätswerte.
  • Die Studie ist sehr klein.
  • Die Einhaltung der Diät ist für manche schwierig (zwei Personen haben die Studie deswegen abgebrochen).

Auf der Suche nach einer Heilung für CED

Wie immer schließen solche Studien damit ab, dass die Ergebnisse vielversprechend sind, jedoch weitere Forschungen dringend benötigt werden. Doch wieder einmal konnte gezeigt werden, dass die SCD etwas bewirkt – diesmal ist es nicht nur eine Fallstudie.

Was genau die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Entzündung und genetischer Prädisposition eines jeden Einzelnen sind, muss noch herausgefunden werden. Nichtsdestotrotz ist dies eine sehr vielversprechende und motivierende Studie und belegt das, was viele (CED-)Patienten berichten: Es geht ihnen besser mit der SCD. Ernährung lindert ihre Krankheitssymptome und verbessert die labordiagnostischen Ergebnisse.


Quellen aus der Studie:

[1] Kostic AD, Xavier RJ, Gevers D. The microbiom in inflammatory bowel disease: current status and the future ahead. Gastroenterology. 2014;146:1489-1499.

[2] Shaw SY, Blanchard JF, Bernstein CN. Association between the use of antibiotics and new diagnoses of Crohn’s disease and ulcerative colitis. Am J Gastroenterol. 2011;106:2133-2142.

[3] Virta L, Auvinen A, Helenius H, et al. Association of repeated exposure to antibiotics with the development of pediatric Crohn’s disease – a nationwide, register-based finnish case-control study. Am J Epidemiol. 2012;175:775-784.

[4] Critch J, Day AS, Otley A, et al. Use of enteral nutrition for the control of intestinal inflammation in pediatric Crohn disease. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2012;54;298-305.

[5] Carmody RN, Gerber GK, Luevano JM Jr, et al. Diet dominates host genotype in shaping the murine gut microbiota. Cell Host Microbe. 2015;17:72-84.

[6] Wu GD, Chen J, Hoffmann C, et al. Linking long-term dietary patterns with gut microbial enterotypes. Science. 2011;334:105-108.

[7] Martinez-Medina M, Denizot J, Dreux N, et al. Western diet induces dysbiosis with increased E coli in CEABAC10 mice, alters host barrier function favouring AIEC colonisation. Gut. 2014;63:116-124.

[8] Chassaing B, Koren O, Goodrich JK, et al. Dietary emulsifiers impact the mouse gut microbiota promoting colitis and metabilic syndrome. Nature. 2015;519:92-96.

[9] Nickerson KP, Chanin R, McDonald C. Deregulation of intestinal anti-microbial defense by the dietary additive, maltodextrin. Gut Microbes. 2015;6:78-83.